Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft
Klima 2030. Nachhaltige Innovationen.
Im Auftrag der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. hat EconSight eine Reihe interaktiver und mehrdimensionaler Grafiken zu 62 Klimaschutz- und Nachhaltigkeitstechnologien berechnet und erstellt.
Die Grafiken wurden für die Studie „Klima 2030. Nachhaltige Innovationen.“ angefertigt, die EconSight zusammen mit Prognos, GWS und Twin Economics für den Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft erstellt hat. Die Studie zeigt, was Klimaschutz für Bayern und Deutschland bedeutet und wo die technologischen Chancen liegen.
Ansatz und Methodik
Eine neue Sicht auf die Technologie- und Patentlandschaft
Der Blick auf Patente bietet eine einzigartige Möglichkeit, um die wichtigsten technologischen Trends global und auf Länderebene konsistent nachzuzeichnen. Herkömmliche Methoden der Patentanalyse konzentrieren sich allerdings nur auf die Anzahl der Patentanmeldungen für spezifische Patentklassen oder grobe Technologiefelder. Außerdem berücksichtigen diese Analysen nicht die länderspezifischen Unterschiede der Patentämter und führen deshalb in der Regel zu unbefriedigenden Ergebnissen. So werden beispielsweise in Japan inkrementelle Fortschritte häufiger patentiert als in anderen Ländern. In China werden Forscher mitunter durch Steuererleichterungen dazu angehalten, so viel wie möglich zu patentieren, um die Relevanz des Forschungsstandorts China zu erhöhen.
Die einfache Messung der Patentaktivität mit Fokus auf Neuanmeldungen überhöht die Bedeutung bestimmter Länder und verzerrt das Gesamtbild. Darüber hinaus wird auch nicht berücksichtigt, wie relevant die jeweilige Erfindung ist, da unterschiedslos jedes Patent gezählt wird. Zudem findet höchstens eine grobe technologische Klassifizierung statt, die keine neuen Erkenntnisse bringt. Dementsprechend messen diese traditionellen Ansätze eher Aktivität statt Qualität.
EconSight stellt die Qualität der Forschung in den Mittelpunkt. Erstmalig angewandte Big-Data-Analysen ermöglichen eine neue Sicht auf die Technologielandschaft – ohne die beschriebenen Defizite bisheriger Patentanalysen.
Fokus auf Weltklassepatente
Die Analyse basiert auf einem neuen wissenschaftlichen Ansatz, bei dem die Stärke jedes Patents weltweit bewertet wird. Dadurch ist es möglich, die Qualität individueller Patentfamilien im Vergleich zu allen anderen Patentfamilien weltweit gewichtet und normiert zu bewerten. In dieser Studie werden die Begriffe Patente und Patentfamilien synonym verwendet. Technisch gesehen ist der Begriff „einfache Patentfamilie“ oder „simple family“ korrekt. Eine „simple family“ ist eine Gruppe von Patentdokumenten, die eine einzige Erfindung mit identischem technischem Inhalt abdecken. Die Patente einer „simple family“ haben alle genau die gleiche Priorität. Die Prioritätsfrist beginnt mit der ersten Anmeldung einer Erfindung in einem beliebigen Land. Innerhalb der folgenden zwölf Monate ist der Anmelder berechtigt, die gleiche Erfindung in anderen Ländern zu patentieren. Für diese Folgeanmeldungen kann der Anmelder das Prioritätsdatum der ersten Anmeldung in Anspruch nehmen. Das bedeutet, dass für diese weiteren Anmeldungen dieses Prioritätsdatum bei der Beurteilung der Neuheit der Erfindung beachtet wird.
Um die Qualität der einzelnen Patente zu bestimmen, wird die Marktabdeckung und die technologische Relevanz ermittelt. Die Marktabdeckung berechnet die weltweite gesetzliche Abdeckung des Patentschutzes. Entscheidend ist, für wie viele Länder Schutzrechte gelten (Größe und Ausdehnung der Patentfamilie). Sie zeigt, wie Unternehmen und staatliche Forschungseinrichtungen die Bedeutung ihrer eigenen Erfindung bewerten. Je größer die Zahl der Länder, in denen das Patent angemeldet wird, desto teurer wird der Patentschutz. Eine breitere internationale Marktabdeckung signalisiert also, dass derPatentanmelder sein Patent für vielversprechend hält (Eigeneinschätzung).
Die technologische Relevanz des Patents ergibt sich daraus, wie oft die Prüfer der verschiedenen Patentämter darauf Bezug nehmen und es zitieren. Prüfer der verschiedenen Patentämter prüfen nach verhältnismäßig ähnlichen Methoden, ob eine Patentanmeldung neu und erfinderisch ist und ziehen dazu andere, bereits publizierte Patente heran. Daraus wird ersichtlich, wie wichtig eine Erfindung im Vergleich zu anderen Patenten in derselben Technologie ist (Fremdeinschätzung). Die Kombination aus Marktabdeckung und technologischer Relevanz („individuelle Patentstärke“) lässt darauf schließen, welche Auswirkung eine Patentfamilie aufden Wettbewerb hat.
Die relative Bewertung der weltweiten Patente anhand der individuellen Patentstärke erlaubt eine quantifizierbare Einteilung in wichtige Patente und weniger wichtige Patente. Dadurch werden die oben beschriebenen Verzerrungen im Patentsystem umgangen. EconSight legt den Schwerpunkt der Analyse auf die sogenannten Weltklassepatente: die besten 10 Prozent aller Patente innerhalb einer definierten Technologie, gemessen an der individuellen Patentstärke. Anschließend können diese Patente Ländern zugeordnet werden.
Detaillierte Technologiedefinitionen
Die meisten Patentanalysen verwenden entweder breite Technologiefelder oder sehr spezifische Patentklassen. Beide Konzepte haben Vor- und Nachteile. Die etablierten Technologiefelder der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) strukturieren die Patentlandschaft in breite Kategorien und helfen bei der Identifizierung von groben Forschungsschwerpunkten einzelner Länder. Sie sind aber zu alt, um Aussagen über die technologische Zukunftsfähigkeit treffen zu können. Individuelle Patentklassen bilden hingegen den Kern des Patentklassifikationssystems, sind aber zu technisch und oft zu spezifisch für strategische Analysen.
EconSight wählt deshalb mit der Entwicklung von spezifischen Technologiedefinitionen einen Mittelweg aus beiden Konzepten, um die technologischen Aktivitäten von Unternehmen, Forschungsinstitutionen, Regionen und Ländern bestmöglich zu erfassen. Jede Technologie wird individuell entwickelt und basiert auf Abfragen einer Reihe von Patentklassen und fachspezifischen Stichworten. Diese Definition wird bei Bedarf mithilfe von weiteren Experten plausibilisiert. Anschließend findet die Identifikation der Patente statt. Dazu wird u. a. eine künstliche Intelligenz eingesetzt. Abschließend findet eine Qualitätskontrolle der Ergebnisse statt.
Aktives Patentportfolio statt Neuanmeldungen
In dieser Analyse werden die Patente nach dem Reporting-Date-Konzept identifiziert und gezählt. Dies bedeutet, dass jährlich zum 31.12. alle aktiven und veröffentlichten Patentfamilien und Patentanmeldungen in den Analysen berücksichtigt werden. Es werden Patentfamilien gezählt, die zumindest ein rechtsgültiges Patent oder eine anhängige Anmeldung aufweisen. Dieses Vorgehen unterscheidet sich von anderen Patentanalysen, bei denen z. B. nur neue Patentanmeldungen pro Jahr gezählt oder alle Patente – auch inaktive – verwendet werden.
Statt nur die Dynamik der Entwicklung zu messen, konzentriert sich der verwendete Ansatz auf die absolute Größe und Stärke eines Patentportfolios zum jeweils aktuellen Zeitpunkt. Die Studie zeigt Zeitreihen von 2000 bis 2019. Stichtag der Erhebung ist jeweils der 31. Dezember. Für jeden Zeitpunkt werden alle bis dahin veröffentlichten und erteilten Patente sowie anhängige Anmeldungen identifiziert. Alle noch aktiven Patente aus den Vorjahren werden ebenfalls berücksichtigt.
Länderzuordnung nach Erfinderadresse
Ein Patent ist das Ergebnis von Forschungsarbeiten, die in der Regel von mehreren Forschern – oft von mehr als einer Einrichtung und manchmal aus mehr als einem Land – durchgeführt werden. Es stellt sich die Frage, wie diese Patente gezählt und wem sie zugeschrieben werden sollen. In dieser Studie erfolgt die geografische Zuordnung anhand der Wohnsitze der beteiligten Erfinder. Sind beispielsweise auf einem Patent Forscher mit einer Adresse in Deutschland genannt, wird dieses Patent Deutschland zugeordnet. Sofern es sich um eine Forschungskooperation mit zusätzlichen Forschern aus anderen Ländern handelt, so wird das Patent auch diesen Ländern zugeordnet – es wird davon ausgegangen, dass die technologische Kompetenz in jedem beteiligten Land vorhanden ist. Der Sitz des anmeldenden Unternehmens ist für diese Analyse nicht relevant. Es ist beispielsweise möglich, dass an einem Patent eines Unternehmens mit Sitz in Deutschland nur Forscher mit Wohnort in den USA beteiligt waren, da das Unternehmen einen Forschungsstandort in den USA unterhält. In diesem Fall würde das Patent den USA zugeordnet, da die Forschungsleistung ausschließlich dort erbracht worden ist. Reine Softwarepatente können dabei bislang nur in den USA angemeldet und erteilt werden. Allerdings ist es auch für ausländische Unternehmen möglich, Softwarepatente in den USA anzumelden. Diese Mög- lichkeit wird von ausländischen Unternehmen entsprechend genutzt.
Grundsätzlich besteht bei internationalen Forschungskooperationen die Wahl zwischen einer anteiligen Zählung, bei der jedem beteiligten Land nur ein Bruchteil eines Patents zugerechnet wird, und einer Vollzählung, bei der das Patent jedem beteiligten Land in voller Höhe zugerechnet wird. In dieser Studie wird die Vollzählung verwendet. Ein Beispiel kann den Vorteil der vollständigen Zählung veranschaulichen: Einem Land mit international gut vernetzten Unternehmen oder Forschungsinstitutionen würden bei der Bruchzählung deutlich weniger Patente zugeordnet werden als einem Land, dessen Unternehmen rein inländische Forschung betreiben. Durch die Vollzählung wird sichergestellt, dass gerade die internationalen Forschungskooperationen, die in der Regel deutlich bessere Ergebnisse erzielen, angemessen berücksichtigt werden. EinNachteil der Methode der Vollzählung ist, dass die Summe der Patente der Länder ungefähr 10 Prozent über der effektiven globalen Patentanzahl liegt. Da der Schwerpunkt dieser Analyse auf dem Ländervergleich liegt, ist dieser Effekt zuvernachlässigen.